Vita - D. Maier MA, Museumsleiterin, Schlossmuseum Ettlingen


Vier Positionen zur Kunst von Hans Benesch

(aus dem Katalog zur Ausstellung - Hans Benesch, Arbeiten von 1991 - 2002 - Markgräfler Museum Müllheim).

Hans Beneschs serielles Arbeiten erfolgt nicht in kurzen abgeschlossenen, sondern offenen Zeiträumen. Formale. Rückgriffe auf bereits Erarbeitetes lässt Zusammenhänge und Werkserien über Jahre entstehen, ohne dabei anachronistisch zu sein. Um es in der aktuellen Sprachästhetik zu formulieren: Hans Benesch covered sich nicht selbst, sondern arbeitet kontinuierlich parallel und abwechselnd in verschiedenen formalen Ausdrucksarten. Er entwickelt diese unterschiedlichen künstlerischen und stilistischen Arbeitsmethoden konsequent und quasi simultan fort.

Das komplexe Arbeiten von Hans Benesch verdichtet sich in 4 künstlerischen Positionen. Diese sollen als Hilfsmittel zur Annäherung an das was war und ist verstanden werden und nicht als Zusammenfassung; Festlegungen wären falsch und fatal, denn alles ist offen...

Position 1 - Farbräume

Die Abbildungen 1 bis 4 umschmeicheln als lyrische Abstraktionen das Betrachterauge.

Aber auf diesem Wahrnehmungspfad ist Vorsicht geboten. Allzu leicht lässt man sich einnehmen von dem fließenden Farbklang eines warmen Sienarot in der braunen Umgebung des Bildes "Erinnerung". Man wagt es, angenehm wohlig von der Farbe berührt, naiven leichten Blickes in die Bildtiefe einzudringen. Hier aber stellen sich erste Irritationen ein, denn wider Erwarten konfrontiert uns der Maler mit einer stark angerauten Bildoberfläche. Die mit Sand, Ton und kleinen Steinchen vermischte Ölfarbe verwandelt sich bei näherem Hinsehen in eine raue, stoppelige, stark differenzierte Malfläche, die sich ganz im Gegensatz zu den sehr positiv wahrgenommenen Farbwerten so gar nicht harmonisch an die Leinwand als Bildträger schmiegen will. Sie springt an manchen Stellen auf, ist spröde und gewährt durch kleine Öffnungen in der Farbschicht Einsicht in darunter liegende Ebenen. Man gewahrt eine Verwandtschaft zur Beschaffenheit von Haut, in deren Kontext die drei tief eingeritzten Spuren rechts oben im Bild eine weitere Assoziationsebene öffnen in das zutiefst menschliche Spuren, die das Leben in die Gesichter und die Haut einschreibt, ohne dass wir das beeinflussen oder gar verhindern könnten. Die Medizin vor allem die plastische Chirurgie macht es zwar möglich diese Einschreibungen (Narben, Falten, Verbrennungen, etc.) zu retuschieren, jedoch betreibt sie hier lediglich Oberflächenbearbeitung. Die wesentlicheren Dimensionen der Psyche und des Verstandes sind davon völlig unberührt. Folgerichtig verweist diese Arbeit mit ihrem Titel "Erinnerung" auf diese tiefer berührten Schichten des Menschlichen, die man nicht einfach wie einen Datenträger löschen kann.
Diese Arbeit steht formal in enger Beziehung zu einer 9 Jahre später entwickelten Assemblage mit dem scheinbar
sinnfälligen Titel "Berührung". Ein langes schmales Holzstück ist auf die Leinwand montiert. Es ist bearbeitet, um es haltbar zu machen und besitzt im oberen und unteren Drittel noch ein stück Rinde, im übrigen Bereich ist das Kernholz und damit auch ein Teil der Genese des Stückes freigelegt. Farblich ist die Malerei auf der Leinwand stark der Farbe und Struktur des Holzes angenähert, so dass eine Synthese als Möglichkeit erscheint. Jedoch ist dies realistischerweise auf eine rein äußerlich ästhetische Ebene beschränkt. Denn schon die Historizität des Holzes - sein. Alter - führt eine starke Trennung zwischen diesen beiden Bildebenen vor. Die Leinwand bleibt Fläche, die lediglich durch die Farbe zur Raum- und Perspektivenillusion fähig ist. Das Holz bietet all das eo ipso: Erfahrbarkeit in räumlicher, geschichtlicher (also zeitenräumlicher) und haptischer Qualität. Nahezu in allen. Arbeiten von Hans Benesch spielt der Faktor Zeit, als weite räumliche Dimension, in der Dinge entstehen und wachsen können, eine größere Rolle als die Bezugnahme auf den einzelnen kurzen Augenblick. Die Gegenüberstellung zweier in anderen Zeiträumen verhafteter Elemente kann den Diskurs verschärfen und die Dialogfähigkeit eines Bildes intensivieren. Das Holz ist einer anderen zeitlichen Dimension zugehörig als die Malerei. Es war zu einer Entwicklung, einem Wachstum fähig ohne großes Zutun äußerer Umstände. Das Bild dagegen kann nicht aus sich selbst heraus entstehen. Es ist artifiziell, kein Teil der Natur, sondern als zivilisatorische und kulturelle Errungenschaft ein Produkt des Menschen, das zwangsläufig auch keine eigene und wenn dann doch eine zeitlich eng begrenzte zeitliche Dimension verkörpert. So kann man diese zur Synthese angelegte Arbeit nur als. Annäherung zweier antithetischer Begriffe und Welten begreifen, aber gerade aus diesem Widerspruch von formaler Synthese und inhaltlicher Antithese und dem daraus resultierenden Dialog zieht das Bild seinen Spannungsbogen.

Position 2 - Buchbearbeitungen

Das Prinzip wechselseitiger Beziehungen bestimmt auch die Buchbearbeitungen. So wie die Natur in Form von
Holzresten als gewachsene Struktur in manchen Bildern Beneschs antithetisch der freien künstlerischen also geschaffenen Struktur des Menschen (hier des Künstlers) gegenüber gestellt ist, so finden sich bei den Buchübermalungen die Bereiche Wissenschaft und Kunst als Dialogpartner wieder. Bei der Bilderserie "Darstellende Geometrie 0-11" ist es die Mathematik - als Teil der Naturwissenschaften mit ihren spezifischen Gesetzmäßigkeiten und Ordnungen -, mit der sich Hans Benesch bildnerisch auseinandersetzt. Eine erste rein äußerliche Reminiszenz an die andere Vorstellungswelt der Mathematik ist die zählweise der Einzelblätter dieser Serie. Sie beginnt analog der mathematischen Zahlenstränge mit einer Null anstatt mit einer 1 oder I, wie es bei Aufzählungen von Bilderserien (vergleiche "Stelen I-III") üblich ist. Den grafischen wie inhaltlichen Ordnungssystemen des Buches "Mathematisches Unterrichtswerk für Höhere Schulen: die anfänge der Darstellenden Geometrie" wird ein freies Formenspiel gegenüber gestellt, das diese überlagert, rahmend umspielt, ironisiert und schließlich ad absurdum führt. Es ist, als ob eine Welt die andere zudeckt, versteckt, nur noch kleine Einblicke gewährt und somit den mit dem Buch eng verbundenden Wertekanon in Frage stellt und schließlich subversiv umdeutet. Blatt 1 verhüllt den Innentitel des Buches zu den Anfängen der Darstellenden Geometrie in geheimnisvolles Braun, das den Blick frei gibt auf ein locker aufs Blatt gesetztes Dreieck, das wiederum überlagert wird von einem herabstürzenden Kreuz in schwarzer und weißer Farbe. So wird "schwarz auf weiß" der Untergang alter kultureller, ethischer Werte und der Aufschwung neuer Ideale gleichsam beschworen wie hinterfragt. Vor das Vorwort zum Lehrbuch wird der Verfasser als Spiritus Rector ironisch mit rot triefender Nase gesetzt. Er ist umgeben von einem dunklen Schleier, in den helle und dunkle Punkte gesetzt sind: Verweise auf die Symbolsprache der Geometrie. Nummer 7 dieser Serie antwortet schließlich auf die im Text und der Skizze veranschaulichten "perspektivischen Darstellung eines Punktes" mit einem in sehr lockerem Strich ausgeführten Pendel. Die wissenschaftliche Genauigkeit, Präzision und deren Sinnhaftigkeit werden hier nicht nur hinterfragt, sondern wie auch an anderer Stelle schon erwähnt, ad absurdum führt.

Dekorative Elemente haben neben zeichnerischen Elementen, die vielfach als Störfaktoren eingesetzt werden und
Umdeutungen herbeiführen, eine gleichberechtigte Stellung und führen zu einer eigenwilligen Balance. So wie das Holz aus seinem ursprünglichen Zusammenhang in der freien Natur gerissen wurde, wird auch das Lehrbuch, indem es durch Zerreißen seiner Funktionalität beraubt wird, aus seinem ursächlichen Wirkungskreis entfernt. Wie das Holz trägt es jedoch die Erinnerung an seine frühere Aussagekraft und Funktion in Form von Schriftresten und fragmentarischen, zeichnerischen Schaubildern nach wie vor auf den einzelnen Seiten mit sich. Nur dadurch kann eine Synthese von Bildideen entstehen, die den Dialog zwischen unterschiedlichen Wertesystemen als Sinnzusammenhang vorführt.

Die Stelen nehmen innerhalb dieser Position einen eigenen Standpunkt ein, denn hier werden Buchseiten und Malerei in einem Werk künstlerisch zusammengeschrieben und als formal harmonisches Ereignis inszeniert. Die äußere Umrissform des Bildformates umschreibt jeweils die Silhouette einer real gebauten Stele. "Stele III" und "Stele vermächtnis" führen in der Bildmitte diese äußere Analogie fort, zum einen durch ein vor den Bildträger montiertes Holz, zum anderen durch ein Band übereinander geklebter, aber nicht überlappender Seiten aus dem oben schon erwähnten Buch zur Darstellenden Geometrie aus dem Jahr 1912. Suchte der künstlerische Eingriff mit dem mathematischen Werk der Serie "Darstellende Geometrie 0-11" die Konfrontation mit dem Buch, was deutlich wird, nicht allein durch den rigiden zerstörerischen Eingriff des Zerreißens, sondern auch durch die teilweise alles negierende und erdrückende Übermalung, so steht hier doch ein behutsamerer und formalästhetischer Umgang mit den Literaturfragmenten im Vordergrund. Das Papier wird integraler Bestandteil der Bildkompositionen. Bei "Stele Vermächtnis" noch sehr durch seine formbeschreibende Kraft in der Bildmitte betont inszeniert und in einen valeurreichen warmen Farbzusammenhang gebracht, ordnet sich das Papier als Informationsträger bei den "Stelen I und II" viel stärker dem malerischen Gesamtduktus unter und unterwirft sich der autonomen Ordnung im Bild. Als konstruktives Element ergänzen die Buchseiten die Gesamtkomposition der Bilder, die nun beginnen das rein malerische Konzept aufzulösen.

Collagen und Bildmontagen sind im Werk von Hans bBenesch nicht neu. Schon lange verfolgt er das Prinzip der Vielseitigkeit auch innerhalb eines Bildkonzeptes. Jedoch neu zu entwickeln beginnen sich seit Mitte der neunziger Jahre Materialcollagen mit einer klar definierten Struktur, bei der Bildelemente immer stärkervoneinander getrennt werden. Auf einen gemalten Farbraum, der alles umfängt, wird zunehmend verzichtet. Dieser Entwicklungsstrang, der nicht solitär betrieben wird, sondern parallel zu anderen Serien entsteht, besticht durch seine Materialvielfalt, die ganz statische Bildarchitektur durch die unterschiedliche Qualität der Materialoberflächen von Filz, Papier, Kupfer, Holz, Wellkarton und anderes mehr seine Spannung bezieht. Die dazwischen geschalteten zeichnerischen und malerischen Elemente wissen zu klären, zusammenzufassen und durch formale Wiederholungen Akzente zu setzen. Jede Stele spiegelt das Spektrum einer Hauptfarbe, die valeurreich die Materialflächen miteinander in Dialog zu setzen versteht und die materiellen Unterschiede zu überbrücken hilft.

Mit diesen frühen Kompositionen hat ein Ausloten formalästhetischer Wirkung zu unterschiedlichen inhaltlichen Fragestellungen begonnen, das bis in die jüngste Zeit fortgesetzt wird und immer wieder zu neuen überraschenden Ergebnissen führt.

Position 3 - Flächenstruktur

Warme erdige Töne sind Hauptbestandteile von Beneschs Farbraum. Über sie transportiert er persönliche
Erfahrungen, Erlebtes, Geschautes, Empfundenes. "Sommer im Markgräfler Land" mit seinen leuchtend gelben Farben, in manchen Bildzonen ins gleißend hellgelbe mit viel weiß gehöht, führt nicht nur das schwülheiße Sommerklima der Oberrheinebene anschaulich vor Augen, sondern zugleich eine dichte Bildkomposition, bei der das zeichnerische Element der Ölkreide und des Bleistiftes vorherrscht. Das gegenständliche Bezugssystem zu der im Bildtitel angedeuteten Landschaft ist durch locker skizzierte Bergsilhouetten und ein Fragment eines Schwarz-weiß-fotos mit Landschaftsblick gegeben. Andeutungen von Architektur, eine Treppe und freie geometrische Formen gliedern das Bild und fügen sich verbunden durch vertikale und horizontale Bleistiftspuren zu rahmenden Motiven innerhalb der Bildkomposition. Ungestüme Kreidestrichelungen vor allem im unteren und oberen Drittel dynamisieren die Arbeit und kontrastieren die sonst ruhig angelegten Hügelketten und geometrischen Details. Ein diagonal ins Bild gesetztes skripturales Element scheint eine Erläuterung zu beinhalten, jedoch ist die Schrift nicht dechiffrierbar und dergestalt nicht als zusätzliche Informationsquelle abrufbar, sondern als ornamentales Band und abstrakte Komponente zu verstehen.

Sehr viel stärker in sich strukturiert ist Abb.9. Ähnlich einem Katasterplan liegt dem Bild "Arles" ein Muster
aus grau-weißen Quadraten und Rechtecken zu Grunde. Sie sind unterfangen von einer hellen gelben Farbfläche, die es immer wieder schafft, am Rand und in den Zwischenräumen dieser Vierecke an die Bildoberfläche und damit in den Vordergrund zu dringen. Bei einem Besuch dieser südfranzösischen Stadt hinterließ die Grautonigkeit der Architektur einen bleibenden Eindruck bei Hans Benesch. Diese Farbigkeit in all ihren Schattierungen, reduziert auf einzelne Bausteine dieser alten Architektur, bildet das Gerüst dieser Urlaubserinnerung der besonderen Art. Üblicherweise bringt man Souvenirs und Fotos von einer Reise mit, die die Erinnerung stützen und auffrischen helfen sollen. Konsequenterweise erweitern daher ein Negativstreifen, die farbige Abbildung eines Kirchenportals und dessen schwarz-weißes Spiegelbild die Komposition. Entsprechend dem architektonischen Gesamtklang des Bildes sind diese eingeklebten Elemente parallel zu den Blatträndern gesetzt. "Arles" ist keine Urlaubsschilderung oder das Festhalten eines momentanen Eindrucks im gemalten Bild, sondern ein Surrogat verschiedener Wahrnehmungsebenen verdichtet auf wenige Chiffren von Architektur und Licht. Kompositorisch im Vordergrund stehen auch hier die einzelnen Bildelemente, die sich mehr und mehr voneinander absetzen. Die Arbeiten der Stele-Serie sind ebenso in diesem Werkzusammenhang zu sehen wie das 1995 entstandene Bild "Maßwerk", das eigenständige, vertikal nebeneinander gesetzte Materialstreifen in der Bildmitte zeigt, die von einem hellen, Architektur andeutenden Farbraum unterfangen werden.

Obgleich die Abbildungen 11 bis 14 aus ganz verschiedenen Schaffensjahren stammen, zeigen sie das gleiche
bildnerische Wollen, einzelne Bildkomponenten klar voneinander zu trennen. Trotz aller Trennungsvorgänge spielt die malerische und zeichnerische Qualität bei diesen Werken noch eine große Rolle. Eingeklebte und aufmontierte "Fundstücke" wie Buchseiten, Zeitungsberichte, Fotografien, Stoff, Wellpappe und Ähnliches heben sich als
Einzelstücke vom gemalten und gezeichneten Raum noch ab. Der Dialog, der sich zwischen diesen Elementen entwickelt, beruht auf ihrem Anderssein, der unterschiedlichen Größenverhältnisse, der farblichen Hervorhebung und anderem.

Trotz aller unterschiedlicher künstlerischer Positionen zeigen einzelne Arbeiten immer wieder deutliche
inhaltliche Querverbindungen auf, z.b. Abbildung 14 "ohne Titel" mit dem im gleichen Jahr entstandenen Bild "Berührung", durch die Verwendung eines Holzstückes, das vertikal in den Werkkontext eingebunden ist, wenngleich auch die inhaltliche Konnotation sehr unterschiedlich bleibt. Das Holzstück mit seiner eine große Zeitspanne umfassenden Entwicklungsgeschichte, ist bei der Arbeit "Berührung" einem großen, nicht näher definierbaren Farbraum gegenübergestellt und stellt dort vor allem sehr viel Raum für emotional gesteuerte Interpretationen bereit. Die im gleichen Jahr entstandene Arbeit "ohne Titel" stellt das Holz als integrativen Bestandteil der auf klar definierten geometrischen Formen beruhenden Komposition dar. In seiner zentralen vertikalen Mittelposition gleicht es einem Stützbalken oder einer Säule, die Bildarchitektur zu tragen scheint und gleichsam die Komposition dadurch in zwei große Felder teilt: rechts in einen kühlen, ruhigen Farbraum und links in einen farblich wärmeren und durch einen heftigen Pinselduktus dominierten dynamischen Bildteil. Das Holzstück ist Trennlinie und gleichzeitig Stütze der Bildkonstruktion und Bindeglied zwischen den beiden unterschiedlichen Seitenflächen. Es erfüllt somit hauptsächlich eine formale konstruktive Funktion, die eher oder zumindest zunächst intellektuell erfahrbar ist.

Obgleich schon sehr früh im Jahr 1995 entstanden, verweist die Arbeit "20 Tage im September" in ihrer
gleichmäßigen Bildaufteilung von 20 gleichgroßen Quadraten, die in 5 Reihen im Hochformat übereinander angelegt und durch ein Raster gemalter Begrenzungslinien deutlich voneinander abgesetzt sind, auf das Element der Separierung im Werk von Hans Benesch, die die strikte Trennung der einzelnen Bildelemente vorführt. Diese Trennung kann darin bestehen, dass tatsächlich einzelne Bilder, die einzeln gerahmt sind, zu einer mehrteiligen Serie zusammengehängt bzw. -gefügt werden, wie das z.B. bei "Darstellende Geometrie 0-11" schon der Fall war oder bei der jüngeren neunteiligen Arbeit "Zeichen". Deren Bildträger sind in diesem Fall keine antiquarischen Kostbarkeiten, sondern ein anderes von der Erdgeschichte hervorgebrachtes Material, Schiefer, das oftmals Relikte früherer Erdzeitalter in sich trägt und somit auf einen sehr weit gefassten zeitlichen Raum verweist.

Position 4 - Separierungen

Morgens im Auto sitzend beobachten wir die Straße. Den Mittelstreifen durchziehen feine Craquelés; die Farbe wird bald aufplatzen. Es regnet. Schimmernde Tropfen brechen das Licht der Straßenlaternen, der Rücklichter des vorherfahrenden Autos und der Leuchtschriftreklamen, die die noch dunkle Szenerie erhellen. Im Radio erfahren wir von den neuesten Katastrophen, Kräftemessen zwischen den Reichen und Mächtigen allerorten. Eine
alte Frau geht über die Straße, die Ampel ist rot. Im Inneren des Autos ist es noch ganz kalt und die Scheiben beschlagen. Die quietschenden, zischenden und hupenden Geräusche des Straßenverkehrs dringen gedämpft ins Innere des Wagens und wir denken an gestern Abend und den beginnenden Tag mit seinen Verpflichtungen und Anforderungen.

Während dieser nur wenige Sekunden dauernden Wahrnehmungsfolge stürmen abertausende Informationen auf uns ein, die wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen. Blitzschnell müssen wir diese sortieren, mit unseren bisherigen Erfahrungen und dem Gelernten und Verinnerlichten vergleichen, bewerten, darauf reagieren und nach Priorität im Gedächtnis ablegen. Auch sogenannte mechanische Tätigkeiten laufen innerhalb des Körpers nicht mechanisch
ab, sondern setzen eine komplexe Informationsverarbeitung voraus. In Zeiten wie diesen, in denen der Mensch medial überfrachtet wird, müssen immer mehr Informationen simultan und dabei immer schneller verarbeitet werden. Dabei die Übersicht zu behalten und alle Handlungen in Relation zu seinem persönlichen Wertekanon zu setzen ist schwierig.

Hans Beneschs künstlerische Antwort auf Reizüberflutungen und den täglichen Newsflash ist innehalten und sortieren. Er klärt die äußere Bildform zu einem Raster und löst die einzelnen Bildmontagen strikt und einheitlich voneinander.

Bei den Segmenten eines Bildes handelt es sich um Zeichnungen, Malerei, Fotografien, Zeitungsausschnitten und verschiedene andere Materialien. Farblich werden diese Einzelbilder einander angeglichen, so dass bei jeder Arbeit ein Gesamtfarbton vorherrscht.

Eine Ausnahme sind die Luxographien, die in ihrer Anordnung nicht mit anderen Materialien konfrontiert werden. Hier darf die besondere, von Hans Benesch selbst entwickelte, fotografisch-malerische Technik für sich stehen, was einen homogeneren Gesamteindruck unterstützt und die Leuchtkraft sowie die scheinbar diaphane Struktur der einzelnen Luxographien hervorhebt. Obwohl inhaltliche Bezüge auf einer ganz anderen Ebene zu suchen sind, haben
diese Arbeiten in ihrer eigenwilligen Ästhetik eine geradezu absurde Affinität zu sakralen Glasfenstern.

Durch das Vorherrschen des einheitlichen Gesamtfarbtons kann das Auge die einzelnen Bildsegmente aller Arbeiten dieser Serie nicht so schnell differenzieren. So wie es bei vielen über das Fernsehen bspw. übermittelten Bildern auch nicht sofort erkennbar ist, worum es sich genau handelt (Film, Nachrichten, Serie, Dokumentation, Werbung, etc.). Diese Arbeiten sind nicht für den Kunstflaneur geeignet, denn sie erfüllen kein sofort zu erfassendes Sujetformat wie zum Beispiel Stillleben, Aktmalerei oder anderes. Sie schärfen vielmehr den Blick für Details und diese sind so vielgestaltig wie das Leben selbst. Bezugssysteme müssen selbst hergestellt werden und je länger man sich mit diesen Arbeiten beschäftigt, um so mehr Verflechtungen, Korrespondenzen, Widersprüche und Entsprechungen lassen sich erfassen.

Der Informationsboom der aktuellen Mediengesellschaft wird von Hans Benesch durch Medienvielfalt in seiner Kunst kreativ und bildästhetisch konterkariert. Hier gilt wie für alle seine künstlerischen Positionen: Sinnvolle Bildauflösungen entstehen nur durch den kritischen Dialog. Dies gilt für den Künstler ebenso wie für die Betrachter.

D. Maier M.A., Museumsleiterin, Schlossmuseum Ettlingen


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